Die Jungfrau von Guadalupe – Puerto Vallarta feiert ihren Geburtstag

9 Dez

Jedes Jahr beginnen am 1. Dezember die Prozessionen zur „Parroquia de la Virgen de Guadalupe“ (der Hauptkirche) in Puerto Vallarta, die in der Nacht zum und am 12. Dezember, dem „Geburtstag“ der Virgen, ihren Höhepunkt haben, dann nimmt fast die ganze Bevölkerung an den nicht enden wollenden Prozessionen teil.

Bevor wir diese sehr lauten und fröhlichen Prozessioen näher beschreiben wollen, müssen wir was zum Katholizismus und zur Rolle der Jungfrau von Guadalupe in Mexiko schreiben.weiterlesen

Etwa 90 Prozent der etwa 110 Millionen Mexikaner sind katholisch, aber seit etwa 150 Jahren herrscht totale Trennung von Kirche und Staat, seit der liberale indianische Präsident Benito Juarez die sogenannten  Reformgesetze in der Verfassung verankert und die kahtolische Kirche enteignet und entmachtet und die Klöster aufgelöst hatte. Mittlerweile sind einige Gesetze etwas gelockert worden, aber Kruzifixe in den Schulen sind ebenso verboten wie Religionsunterricht in den Schulen, und dem Klerus ist es untersagt, sich in politische Angelegenheiten einzumischen. Und das ist den allermeisten Mexikanern auch ganz recht so. Trotzdem sind die zahlreichen Kirchen an Sonntagen bei den Gottesdiensten so voll, dass die Gläubigen häufig bis auf die Strasse stehen. Und auch an Werktagen werden die meist offenen Kirchen häufig frequentiert, auch dann, wenn gerade keine Messe ist.

Virgen de Guadalupe

Virgen de Guadalupe

Und in jeder Kirche hängt eine Kopie des Gnadenbildes der Jungfrau von Guadalupe – und daneben befindet sich stets die mexikanische Nationalflagge. Denn die Virgen war auch die Schutzpatronin des Unabhängigkeitkrieges gegen Spanien, der 1810 begann.

Und sie ist die „Königin und Schutzpatronin Mexikos“ und „Kaiserin und Schutzpatronin“ des Kontinents und der Philipinen. Von Johannes XXIII. erhielt sie den Beinamen „Mutter der Amerikas“. Und es dürfte nur wenige Haushalte in Mexiko geben, wo nicht ein Bild von ihr hängt – meist geschmückt mit Blumen und einem Öllicht oder einer Kerze. Auch in vielen Werkstätten sieht man das, an Taxiständen und Endstationen von Buslinien usw. 

Das Gnadenbild zeigt eine recht dunkelhäutige Muttergottes mit indianischen Zügen, abgebildet auf der „Tilma“ (Umhang) des jungen Azteken Juan Diego, der ihr – so erzählt die Legende – am 9. Dezember 1531 am Hügel von Tepeyac in der Nähe von Mexiko-Stadt zum ersten Mal begegnet ist, als er Hilfe für seine schwerkranken Onkel holen will. Die Erscheinung forderte den einfachen Indio in Nahuatl, der Sprache der Azteken,  auf, sich zum Palast des Bischofs Zumarraga in der Stadt zu begeben und ihn aufzufordern, ihr eine Kapelle zu bauen. Juan Diego ist davon alles andere begeistert, macht sich aber schliesslich auf den Weg, aber der mächtige spanische Bischof glaubt ihm natürlich nicht.

Am nächsten Tag ist die Jungfrau von Guadalupe wieder an der gleichen Stelle mit dem gleichen Anliegen, aber wieder scheitert er – der Bischof verlangt einen Beweis. Juan Diego berichtet der Jungfrau dann am 11. Dezember, was nun seinerseits der Bischof von ihm verlangt, und die Virgen verspricht, den Beweis ihrer Existenz zu liefern – und am 12. Dezember ist dann der Hügel, wo bislang quasi nur Kakteen und Agaven wuchsen, voller blühender Rosen! Juan Diego wickelt sie nach dem Wunsch der Erscheinung in seine Tilma und macht sich wieder auf den weiten Weg zum Bischof, vor dem er die Rosen ausschüttet – und nun ist auf der Tilma das Bild der Jungfrau zu sehen! Nun glaubt ihm der Bischof und lässt die von der Virgen de Guadalupe gewünschte Kapelle errichten.

Es ist Ihnen, liebe LeserInnen vorbehalten, der Legende Glauben zu schenken oder nicht. Die damalige Bevölkerung jedenfalls glaubte sie, und damit begann die eigentliche Christianisierung Mexikos.

Interessanterweise befand sich auf dem Hügel von Tepeyac vorher ein Heiligtum von Tonantzin (das von den Spaniern zerstört wurde), der Muttergottheit der Azteken, zu denen auch Juan Diego gehörte, und in manchen Regionen der mexikanischen Provinz nennt man die Virgen manchmal immer noch Tonantzin. Der Name Guadalupe kann sich auf eine spanische Muttergottes beziehen, aber auch eine Verballhornung einer Nahuatlwortgruppe sein, die übersetzt bedeutet „die der steinernen Schlange den Kopf zertritt“.

Sehr vielen Mexikanern gilt sie als „Mutter“, an die man sich wendet, wenn man Probleme und Sorgen hat, und die immer hilft – einfach, indem sie Trost spendet. „Wunder“ im eigentlichen Sinne des Wortes tut sie keine, sie macht weder Lahme gehen noch Blinde sehen – aber manchmal tuen ja auch tröstliche Worte „Wunder“. Und so ist verständlich, dass man sich immer mal wieder bei ihr bedanken und ihr Blumen mitbringen muss – und das ganz besonders an ihrem Geburtstag, dem 12. Dezember. So hatte sie laut Legende auch Juan Diego die Befürchtungen vor dem mächtigen Bischof  und seine Sorgen um den kranken Onkel genommen, indem sie ihm – frei übersetzt – sagte „Bin ich, deine Mutter, nicht bei dir? Warum machst Du Dir Sorgen? Du stehst doch unter meinem Schutz!“

So strömen also Hunderttausene zur Basilika in Mexiko-Stadt, wo die Tilma mit dem Gnadenbild hängt, und da sind  Zehntausende in Puerto Vallarta unterwegs, begleitet von Mariachi-Gruppen und von indianisch kostümierten Tanzgruppen, die zu wilden Trommelrhythmen auf den Strassen und vor und in der Kirche tanzen – ein Geburtstag ist ja schliesslich eine fröhliche Angelegenheit! Und man bringt hier in Vallarta ausser oder statt Blumen auch Geschenke mit für die Mitmenschen, denen es nicht so gut geht – die Lebensmittel werden dann an sie verteilt.

Während in Mexiko-Stadt die Geburtstagsfeier sich auf die Nacht zum  und auf den 12. Dezember konzentriert, wird er hier in Vallarta schon ab dem 1. Dezember gefeiert und die Strassen im Zentrum werden für den Autoverkehr gesperrt. Es gibt nämlich kein Stadtteil, kein grösseres Unternehmen, kein Hotel, keine Gewerkschaft, keine grössere Organisation und keine Schule (!) usw., die sich  n i ch t  verpflichtet fühlen, der Virgen einen Besuch abzustatten, wobei bei den meisten Gruppen eben Mariachi-Gruppen sind, indianische Tanzgruppen und ein Wagen mit dem lebenden Bild der Virgen (einem jungen Mädchen, das entsprechend gekleidet ist) und einem Jungen in der Tilma des Juan Diego, der vor ihr kniet oder – seltener – einem anderen religiösen Motiv.

Viele Menschen kommen in weisser Kleidung und  mit einem roten Schal, und vor allem ältere Bürger Vallarta gehen barfuss – eine indianische Gepflogenheit, die den Kontakt zu unser aller Mutter – der Erde – wahren soll. Denn die alte indianische Muttergottheit war auch eine Erdgottheit wie Gaia (das Wort steckt z.B. in dem Begriff Geologie – die Wissenschaft von der Erde) bei den Griechen.