Dia de la Independencia – der nationale Feiertag Mexikos

6 Okt

Von der Eroberung Mexikos bis zur Unabhängigkeit

In jedem Jahr läuten am 15. September um elf Uhr abends in Mexiko überall die Glocken – nein, nicht die Kirchenglocken, sondern die der Rathäuser. Jedes Rathaus in jedem Dorf und in jeder Stadt verfügt über eine Glocke, ebenso jeder Gouverneurs-Palast in den Hauptstädten der 31 Bundesstaaten und der Nationalpalast in Mexiko-Stadt, dem Distrito Federal, der quasi der

Miguel Hidalgo

Miguel Hidalgo

32. Bundesstaat ist. Und zu dem Geläut der Glocke ruft der jeweilige Bürgermeister, Gouverneur oder eben der mexikanische Präsident „Viva México“, worauf ihnen aus den grossen Menschenansammlungen ein begeistertes „Viva“ entgegenschallt; „Viva la independencia“ – „Viva“ (Es lebe Mexiko, Es lebe die Unabhängigkeit) – das ist der berühmte „Grito“ (Ruf), der den Beginn der Unabhängigkeitsfeier verkündet.  Dann folgt die Aufzählung derer, die in dem Unabhängigkeitskrieg eine grosse Rolle spielten, aber auch der Helden der mexikanischen Revolution, immer verbunden mit lauten Viva-Rufen.

Nächstes Jahr feiert Mexiko den 200. Jahrestag des Beginns des Unabhängigkeitkrieges, der am 15. September 1810 von dem Priester Miguel Hildalgo regelrecht eingeläutet wurde. Er und andere Aufständische hatten den Beginn der blutigen Auseinandersetzungen gegen die spanische Vorherrschaft in Mexiko eigentlich für einen späteren Termin geplant, doch dann erfuhr Miguel Hidalgo durch die Frau eines Bürgermeisters, die die Sache der Aufständigen unterstützte, dass ihr Plan verraten worden war, und entschloss sich, den Befreiungskampf sofort auszurufen. Elf Jahre dauerte diese Auseinandersetzung, und Spanien erkannte die Unabhängigkeit Mexikos am 24. August 1821 an! Bis dahin galt den Spaniern Mexiko immer noch als Nueva España – Neuspanien.

Um zu verstehen, wie es zu diesen blutigen Auseinandersetzungen kam, muss man sich die Geschichte des Landes seit der Eroberung Mexikos durch den Spanier Hernán Cortés und seine Truppen in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts ansehen.

Hernan Cortes

Hernán Cortes

Hernán Cortes war am Gründonnerstag 1519 in der Nähe des heutigen Veracruz (das von ihm gegründet wurde und in Anspielung auf den Karfreitag seinen Namen erhielt) mit 500 Soldaten und 30 Reitern gelandet, ausgerüstet u.a. mit Schusswaffen und Kanonen. Durch vorherige Expeditionen wussten die Spanier, dass es in diesem Land Gold und Silber gab, und Cortés hatte den festen Vorsatz, in die Hauptstadt des Aztekenreiches zu ziehen und das Land zu erobern.

Moctezuma II., der aztekische Herrscher, der in der Hauptstadt Tenochtitlán residierte, versuchte Cortés durch grossartige Geschenke, die aus Gold und Silber bestanden, von diesem Plan abzubringen – erreichte damit aber natürlich genau das Gegenteil. Nach aztekischer Zeitrechnung war es das Jahr I Rohr – und in einem dieser alle 52 Jahre wiederkehrenden Jahre sollte der „weisse Gott“ Quetzalcoatl wiederkommen! Die Pferde, die man in Mexiko ja nicht kannte, und die Feuerwaffen, die man ebenfalls nicht kannte, die eisernen Rüstungen und das Auftreten der Spanier bestärkten den Verdacht, dass es sich bei den Ankömmlingen, deren „schwimmende Häuser“ man schon lange Zeit vorher an der Küste gesichtet und von denen man Moctezuma berichtet hatte, um Abgesandte dieses Gottes bzw. um ihn selbst handeln könnte..

Cortés zog also nach Tenochtitlán, ihm schlossen sich schliesslich indianische Verbündete an, die sich gegen die Vorherrschaft der Azteken wehren wollten. Von Moctezuma wurde er feierlich begrüsst und im Palast seines Vaters einquartiert – wo die Spanier bald die sehr gut bestückte Schatzkammer fanden. Es gelang Cortes, Moctezuma zu seiner Marionette zu machen, und dieser büsste bei den Azteken immer mehr von seinem Ansehen ein.

Tenochtitlan

Tenochtitlan

In Abwesenheit von Hernán Cortés – der war mit einem Grossteil seiner Truppen nach Veracruz gezogen, um einen anderen Spanier aus Mexiko zu vertreiben – kam es zu einem Aufstand, weil die Spanier aztekische Adlige umgebracht hatten. Dabei kam auch Moctezuma II. ums Leben – ob durch Steinwürfe seiner eigenen Untertanen oder durch einen Dolch der Spanier ist nicht geklärt. Das Quartier der Spanier wurde belagert, Hernán Cortés kam zurück und die Spanier wurden in der „Noche Triste“ (30. Juni 1520), der traurigen Nacht, aus Tenochtitlán vetrieben, viele verloren dabei ihr Leben.

Aber Cortés belagerte mit verbündeten indianischen Truppen, die er um sich sammelte,  die Hauptstadt des Aztekenreiches und konnte sie schliesslich am 13. August 1521 erobern – das war das Ende des aztekischen Reiches und der Stadt, die die Spanier als eine der schönsten der Welt gerühmt hatten. Tausende von Azteken kamen ums Leben, auf und aus den Trümmern der Stadt errichteten die Spanier festungsartige Gebäude, schliesslich mussten sie weitere Aufstände befürchten.

Den meisten Spaniern galten die Einheimischen als unbeseelte Wesen, die nicht mit Vernunft begabt waren und die sich von daher hervorragend als Sklaven in der Landwirtschaft und den Minen eigneten. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte schrumpfte die Bevölkerung Neuspaniens von geschätzen 25 Millionen auf 2,5 Millionen – die Menschen starben an den von den Spaniern eingeschleppten Krankheiten – darunter die Pocken – genauso wie an der brutalen Ausbeutung als Sklaven.

Aber die indianischen Völker hatten die Mönche auf ihrer Seite – 1524 waren als erste die Franziskaner, dann die Dominikaner und schliesslich die Augustiner gekommen, um auf dem neu entdeckten Kontinent einen Gottesstaat, eine Art Paradies, zu errichten. Sie nahmen die einheimische Bevölkerung in Schutz, liessen auf dem flachen Land bei ihren Klöstern riesige Kirchen bauen, die fast wie Kathedralen anmuten und gleichzeitig auch Schutz vor spanischen Angriffen boten. Fray Bartolomé de las Casas, ein Dominikaner und erster Bischof in Chiapas, war der eifrigste Verteidiger der indianischen Bevökerung, und nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass Papst Paul II im Mai 1537 klarstellte, dass es sich bei der indianischen

Fray Bartolome de las Casas

Fray Bartolomé de las Casas

Bevölkerung sehr wohl um vernunftbegabte Menschen mit einer Seele handele. So kam es auch zu den Leyes Nuevos (Neuen Gesetzen), die Karl V. 1542 erliess, die die Versklavung der einheimischen Bevölkerung verboten – Gesetze, an die sich die Spanier aber kaum hielten, so dass sie wenige Jahre später zum Teil wieder zurückgenommen wurden.

Das meiste Land war in der Hand von Spaniern, denen diese riesigen „encomiendas“ /Güter zur Bewirtschaftung überlassen worden waren.

Gleichzeitig kam es immer mehr zur Vermischung der spanischen Bevölkerung mit der indianischen – heute sind 60% der Mexikaner Mestizen, etwa 30% sind indianisch, 9 % europäisch, 1% anderer Abkunft u.a. afrikanischer.

Regiert wurde Neuspanien durch einen von der spanischen Krone eingesetzten Vizekönig, auch alle höheren Ämter in Staat und Kirche wurden von aus Spanien entsandten Männern besetzt, als Kreole – also als in Mexiko geborener Abkömmling von spanischen Vorfahren – hatte man keine sehr grossen Aufstiegschancen.

Im 18. Jahrhundert dehnte sich Neuspanien von den heutigen Südstaaten der USA bis nach Costa Rica und Panama aus – ein riesiges Land also! Aber dieses Land war der grösste Absatzmarkt für spanische Produkte wie Wein und Oliven, deren Anbau hier verboten war. Exportiert aus Neuspanien wurden Zucker (das Zuckerrohr stammt aus Kuba) und natürlich Bodenschätze wie Gold und Silber aus den zahlreichen Minen des Landes. Gleichzeitig war Mexiko Zwischenstation für den Handeln mit den – gleichfalls spanischen – Philippinen und damit für Handelsgüter aus China. Die Handelsschiffe fuhren von Acapulco aus an der Westküste Mexikos entlang und überquerten schliesslich den Pazifik – ein nicht ganz ungefährliches Unternehmen, denn ausser Hurrikanen waren die Schiffe und Ihre Besatzung auch den zahlreichen Piraten ausgeliefert, die die Gewässer unsicher machten.

Mit der Zeit wuchs der Unmut der Kreolen über ihre ökonomische und soziale Situation derart, dass nicht wenige dem Beispiel der nördlichen Nachbarn folgen wollten. Als dann schliesslich Napoleon seinem Sohn Joseph die spanische Krone aufsetzte, einigten sich Liberale und Konservative (Anhänger der spanischen Bourbonen) – und der Unabhängigkeitskrieg begann am 16.September 1810 und endete 1821, 300 Jahre nach der Eroberung Tenochtitlans, das in Ciudád de México unbenannt worden war. Und so wurde Neuspanien denn auch in México umbenannt.

Der Name Mexiko stammt von den Mexica („Mechika“ gesprochen), so nannten sich die Azteken, die Tenochtitlán gegründet und das riesige Reich erobert hatten, wo dann etwa 200 Jahre nach der Gründung der aztekischen Hauptstadt Hernän Cortés die Macht übernommen hatte.

Was nach dem Unabhängigkeitskrieg folgte, war ein Jahrhundert voller politischer Wirren und militärischer Auseinandersetzungen, die schliesslich 1910 in die mexikanische Revolution mündeten – dies soll aber ein Thema für den Dia de la  Revolutión im November sein.