Altmexikanische Kulturen

10 Aug

Viele Reiseveranstalter bieten Rundreisen durch Mexiko an, bei denen Sie auf Schritt und Tritt den imposanten Zeugen alter mesoamerikanischer Kulturen begegnen: Teotihuacán mit der riesigen Sonnenpyramide, wobei unklar ist, welches Volk diese grossartige Anlage vor mehr als 2000 Jahren zu erbauen begann, Monte Alban bei Oaxaca, dessen Anfänge vor ca. 2000 Jahren von den Zapoteken geschaffen wurden, Palenque, das wir den Mayas verdanken, die im heutigen Chiapas gelebt haben, und das seinen kulturellen Höhepunkt im 7. Jahrhundert n. Chr. hatte, Uxmal auf der Halbinsel Yucatan im Südosten Mexikos, das wie Chichén Itzá ein glänzendes Beispiel für die Baukünste der Tiefland-Mayas ist, die sich wie wohl die allermeisten Bauwerke in Mesoamerika nach astronomischen Ereignissen ausrichteten.

Teotihuacán bei Mexico Stadt

Teotihuacán bei Mexico Stadt

Wir könnten jetzt noch viele weitere andere in Europa nicht so bekannte Beispiele aufführen, die aber nicht weniger besichtigenswert sind – so z.B. weiterlesen Xochicalco im Bundesstaat Moreleos in der Nähe von Guernavaca, das beim Untergang Teotihuacáns etwa 900 n.Chr. dessen Nachfolgerin als Metropole des Hochlandes antrat. Als wir 1982 zum ersten Mal die dortige Pyramide besuchten, da gab es scheinbar nur diese Pyramide und den Ballspielplatz. Im Laufe der Jahre ist dort eine ganze Stadt ausgegraben und rekonstruiert worden, für deren Besichtigung man mindestens zwei Stunden veranschlagen muss!

Der Westen Mexikos hat solche Glanzpunkte leider nicht zu bieten – obwohl es allein in der Umgebung von Puerto Vallarta weit über hundert registrierte archäologische Fundstellen gibt, die meisten davon in Ixtapa. Dort befinden sich die Reste einer Pyramide , die man aber nicht besichtigen kann, weil sie kaum erforscht und natürlich überhaupt nicht erschlossen sind. Das Interesse der mexikanischen Archäologie gilt mehr den Zonen, zu denen man aufgrund der vielen und intensiven Ausgrabungen und Restaurierungen sehr viel mehr Erkenntnisse gewonnen hat als über die Kulturen im Westen Mexikos.

Dabei ist das ein eigentlich hochinteressantes Forschungsgebiet, denn es wird aufgrund von Keramikfunden vermutet, dass es einen relativ engen Kontakt mit den Kulturen an der Küste des heutigen Ecuador und Kolumbien und nördlichen Peru gab. Diese Keramik findet man in erster Linie in sogenannten Schachtgräbern, die zwischen 200 v. Chr. und 600 n.Chr. angelegt wurden – genau wie in Ecuador und Kolumbien!

Und noch ein weiterer Aspekt ist interssant: die Kultur von Capacha erstreckte sich die ganze Küste entlang vom heutigen Acapulco bis auf die Höhe der Halbinsel von Kalifornien im Nordwesten Mexikos. Sie ist ca. 300 – 500 Jahre älter als die Kultur der Olmeken, an denen schon an anderer Stelle die Rede war. Diese entwickelte sich etwa ab 1500 v.Chr. am Golf von Mexiko im Osten  und gilt als mesoamerikanische Mutterkultur, da die Olmeken die Grundlagen der Astronomie und damit des ausserordentlich exakten Kalenders schufen, Pyramiden errichteten, das Ballspiel erfanden und die ersten Schriftzeichen usw, und die sich nach und nach auf das Hochland ausdehnte.

Die Sierra Madre stellte eine Barriere da, die einen regen Austausch mit dem Hochland verhinderte, aber es muss wohl einen regen Handel per Boot an der Küste entlang gegeben haben – bis nach Südamerika vermutlich, wo man ganz ähnliche Schachtgräber baute. Wie sahen diese aus und was fand man darin?

Man trieb einen Schacht in die Erde, z.T über fünf Meter tief. Von diesem Schacht führten dann Stollen in verschiedene Grabkammern, die Platz boten für ganze Familien. Und da diese alten Völker davon überzeugt waren, dass die Seelen nun ein Leben in einer anderen Welt führten, versorgte man die Toten mit Grabbeigaben – wie im alten Ägypten z.B. Und man gab ihnen ihr Nahual mit auf den Weg ins und durch das Jenseits. Das Nahual ist eine Art Schutztier – es kann ein Adler sein, eine Schlange, ein Truthahn (der wurde von den mesoamerikanischen Völkern domestiziert und kam dann später durch die Spanier nach Europa), ein Jaguar oder ein Hund, ein Xoloitzcuintle („Scholoitzquintle), eine hier domestizierte Hunderasse, bei der ein Teil des Wurfes als Nackthund auf die Welt kommt, ein Teil ist behaart. Und der Xoloitzcuinte war wie bei den alten Griechen der Begleiter in das Reich der Toten und wurde dem Gott des Abendsternes (Venus) zugeordnet. Sein Zwillingsbruder war Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange, den die mesoamerikanischen Völker im Morgenstern (ebenfalls Venus) verkörpert sahen (wobei ihnen – anders als den meisten europäischen Völkern – klar war, dass es sich um ein und denselben Planeten handelte). Quetzalcoatl – bei den Mayas hiess er Cuculcan – war wohl die wichtigste Gottheit. Ein Gott der Weisheit und des Lichtes könnte man sagen – da aber das dualistische mexikanische Denken einen Gegenpart fordert, war diesem „hellen“ Gott eben der „dunkle“ Xolotl zugeordnet, der die Sonne durch die Nacht begleitete und die Toten ins Jenseits.

Andere Keramiken stellten Szenen aus dem Alltag dar: eine Frau mit nacktem Oberkörper in einem knielangem Rock, die etwas in einem Mörser zerreibt, eine andere, die Mais enkörnt,Krieger in einer etwas seltsamen (Leder?-) Rüstung, Musikanten, Menschen, die mit den Armen auf den Schultern der anderen im Reigen tanzen, eine Gruppe, die vor einem Haus in offenbar fröhlicher Runde zusammensitzt und auch das Ballspiel, das man auch hier kannte, wird dargestellt. Sämtliche Gestalten sind etwas stilisiert und wirken gedrungen und robust. Und interessanterweise gibt es auch Masken, die von den Archäologen „caras chinoscas“ (etwa: chinesische Gesichter) genannt werden, weil die sehr runden Gesichter tatsächlich an chinesische Gesichter erinnern….

Und natürlich findet man auch Schalen und Gefässe, die einmal Lebensmittel und Getränke enthielten – Wegzehrung also für das Jenseits.

Leider sind die Schachtgräber, die wohl immer zu einer Wohnanlage gehörten, schwer zu finden – oder ausgeraubt worden (bereits vor über dreissig Jahren, wie Zeugen berichten).

Was man sehen kann, das sind Petroglyphen (Felsritzereien), die man aber kaum  datieren kann und deren Symbolik (Spiralen, Rauten, Tiere, menschliche Figuren usw. ) uns weistestgehend verschlossen ist.

Petroglyphen ähnlich denen der Westküste Mexikos

Petroglyphen ähnlich denen der Westküste Mexikos

Man vermutet, dass viele eine astronomische Bedeutung hatten oder auch Markierungszeichen für die Jagd oder das Vorkommen bestimmter Pflanzen waren.

Nun fragen Sie sich vielleicht, warum Einheimischen und Touristen die Schätze der Vergangenheit der Region nicht erschlossen werden, das wäre ja eine weitere Attraktion von Puerto Vallarta. Im Jahre 2005 waren in Mexiko 38266 Fundstellen registriert. Mitttlerweile dürften es wohl über 40000 sein….. Woher soll man all das Geld und die Archäologen und deren Helfer nehmen, um all diese Fundstätten in mühsamer Kleinarbeit zu erforschen und zu erschliessen oder gar zu rekonstruieren?

Eine Legende behauptet, die Azteken, die sich selbst mexicas („Meschikas“) nannten, seinen aus Mexicaltitlán, dem legendären Aztlán gekommen, wo sie etwa um 1200 n.Chr. aufgebrochen sein sollen, um sich dann nach Jahren der Wanderung dort niederzulassen, wo sie Tenochtitlán, das heutige Mexiko-Stadt, gründeten. Mexcaltitlán liegt etwa 200 km nördlich von Vallarta auf einer Insel an der Pazifikküste. Mit Sicherheit weiss man nur, dass diese Nahua sprechenden Gruppe aus dem Norden kam und dass sie sehr schnell ihre Stärke demonstrierte und andere Völker zu Tributzahlungen zwang und bei der Ankunft der Spanier ein regelrechtes mexikanisches Reich beherrschten – nur der Westen Mexikos widersetzte sich den Azteken. Es bestanden wohl einige Handelsbeziehungen, aber keine Tributpflicht.

Codex mit der Abbildung der Auswanderung aus Aztlán

Codex mit der Abbildung der Auswanderung aus Aztlán

Die Wissenschaft vermutet, dass die Kenntnisse der Kupferverarbeitung aus dem Gebiet des heutigen Peru über den Rio Tomatlán im südlicheren Teil der Banderas-Bucht nach Michoacán zu den Tarasken kam, eben denen, die den Azteken erfolgreich Widerstand entgegensetzten konnten, weil sie über Metallwaffen verfügten.Bis ins 12. Jahrhundert kannte man in Mesoamerika keine Metallwerkzeuge, deshalb war Obsidian, das Vulkanglas, auch noch zur Zeit der Azteken eine sehr begehrte Ware, damit trieben schon die Bewohner von Teotiuacán einen weitverzweigetn Handel und bezogen daraus ihren Reichtum. Wenn nicht Waren einfach getauscht wurden, dann wurde übrigens mit Kakaobohnen bezahlt. Diese dienten natürlich aber auch zur Herstellung von Schokolade, die aber mit Wasser hergestellt wurde, da man hier ja weder Rinder noch Ziegen noch Schafe kannte.

Als die Spanier 1525 in die Region kamen, war diese von den Colhuas bewohnt, auch sie eine Volksgruppe, die Uto-Nahuatl sprachen (eine der vielen Varianten des Nahuatl), und ihrem Ort wohl den Namen Xiutla (Tschihutla) gegeben hatten, „Ort wo viel Gras/Kräuter wächst/wachsen“. Die Menschen siedelten vor allem auf dem fruchtbaren Schwemmland, das der Rio Ameca und der Rio Pitillal im Laufe der Jahrmillionen aus den Bergen hergebracht hatten.

Die Legende will, dass Francisco Cortés de San Buenaventura, einem Neffen von Hernán Cortés, dem Eroberer Mexikos,  ein Heer von 20000 Einheimischen gegenüberstand, die aus Federn gefertigte bunte Flaggen und Wimpel hochhielten – daher der Name Bahía de Banderas. Angeblich sollen die Spanier ihre Fahnen mit der Gottesmutter hochgehalten haben und die Heere vor einander auf die Knie gefallen sein….. Aber diese Version klingt wohl doch recht unrealistsich und entspricht wohl eher dem Wunschdenken der meist freundlichen und friedfertigen Menschen von Puerto Vallarta…

Vielleicht gelingt es ja doch, das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) davon zu überzeugen, sich der Pyramidenanlage in Ixtapa und all den anderen „sitios arquelogicos“ in Puerto Vallarta und Umgebung anzunehmen, um mehr Klarheit über die Vergangenheit dieser schönen Tropenstadt zu schaffen!